Offen für alle: Landeskulturkonferenz in Parchim

16.10.2024, 10-18 Uhr, Parchim

Rund 150 Teilnehmende haben am 16. Oktober bei der diesjährigen Landeskulturkonferenz in Parchim über die Kulturpolitik in Mecklenburg-Vorpommern diskutiert, zuerst in der Stadthalle, später in der Kulturmühle. Unter dem Motto „offen für alle“ wurden in rund 20 Impulsvorträgen und Workshops Themen wie Kunstfreiheit und Vielfalt, Barrierefreiheit oder Nachhaltigkeit in der Kultur bearbeitet. Ein Hauptthema dieses Jahres war die entscheidende Rolle der Kultur für die Stärkung des demokratischen Miteinanders in unserer Gesellschaft.

Zum Auftakt der Konferenz in der Stadthalle Parchim sprach Kulturministerin Bettina Martin und betonte in ihrem Grußwort die verbindende Wirkung einer lebendigen Kulturlandschaft. „Eine Gesellschaft, die allen Menschen die Möglichkeit gibt, sich künstlerisch, kulturell und politisch einzubringen, ist auch eine Gesellschaft, in der Zusammenhalt und Demokratie stark sind. Ich wünsche mir, dass bei uns im Land Kunst und Kultur allen Menschen offenstehen – das muss unser gemeinsamer Anspruch sein. Alle sollen teilhaben können, sei es im Publikum oder aktiv auf und hinter der Bühne. Wir wollen bestehende Barrieren abbauen und haben daher in diesem Jahr die Fachstelle Inklusion und einen Förderfonds eingerichtet, mit dem Maßnahmen für eine bessere Barrierefreiheit in den Kultureinrichtungen MVs gefördert werden. Auch gibt es seit diesem Monat den neuen Newsletter unseres Kulturportals in Leichter Sprache“, so Martin. „Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen in diesen Zeiten der multiplen Krisen, in einer Zeit der Suche nach Orientierung und nach einer Idee für eine bessere Zukunft – Kunst und Kultur eine enorm wichtige Rolle spielen. Und deshalb ist es auch so wichtig, dass wir als Staat und Gesellschaft gerade in diesen auch finanziell so angespannten Zeiten nicht nachlassen, die Kultur zu fördern. Die Freie Kunst ist unverzichtbarer Eckpfeiler einer offenen, bunten und demokratischen Gesellschaft.“ Zur Sprache kam auch das kurz vor der Konferenz durch die Stadtvertretung Neubrandenburg beschlossene Verbot von Regenbogenflaggen am Bahnhofsvorplatz. „Eine offene Gesellschaft muss verteidigt werden“, sagte Kulturministerin Martin und kündigte an, dass die nächste Landeskulturkonferenz im Jahr 2025 in Neubrandenburg stattfinden soll.

Auch Prof. Benjamin-Immanuel Hoff, Thüringer Kulturminister, griff dieses aktuelle Beispiel in seiner Eröffnungs-Rede auf. Er plädierte für einen Zusammenhalt gegen demokratiefeindliche Ideologien, ebenso für Optimismus. „Wenn wir uns aufgeben, können wir heute noch gar nicht wissen, was wir vielleicht hätten bewirken, welche Kraft wir hätten entfalten können.“ Kunst und Kultur erfülle hier eine wichtige Übersetzungsleistung gesellschaftlicher Themen und Herausforderungen. Gleichwohl betonte er, dass Kultur „keine gesellschaftliche Reparatureinrichtung“ sei und man sie mit gewissen Erwartungen nicht überfordern dürfe. Jedoch müsse ihre Freiheit verteidigt und Kunstschaffende geschützt werden.

In der anschließenden Podiumsdiskussion zum Thema „Demokratiemotor Kultur“ hob Kulturministerin Bettina Martin jedoch auch hervor, dass Kunst nicht per se progressiv und offen sei und die sinnbildliche Schwingtür nach beiden Seiten funktioniere. Umso mehr sei es wichtig, Kunst auch immer wieder zu hinterfragen und in den gemeinsamen Austausch darüber zu gehen.

Förderpreis Soziokultur

Wie gesellschaftliche Teilhabe und kulturelle Vielfalt gut miteinander funktionieren können, zeigte die anschließende Verleihung des Förderpreises Soziokultur durch die neu eingerichtete Fachstelle Soziokultur MV unter der Schirmherrschaft der Ministerin. Mit dem Freundeskreis Popkultur e.V. aus Bad Sülze und dem Verein Die Platte lebt e.V. aus Schwerin wurdenzwei herausragende Initiativen für ihr soziokulturelles Wirken in Mecklenburg-Vorpommern ausgezeichnet. So schafft der Freundeskreis Popkultur e.V. aus Bad Sülze mit monatlichen Veranstaltungen wie den Wunderbar-Konzerten und dem weit bekannten ROXSA-Festival Orte des kulturellen Austauschs und der Begegnung. Der Verein engagiert sich über kulturelle Veranstaltungen hinaus auch für die Zivilgesellschaft und Stadtentwicklung. Mit Initiativen wie dem Ehrenamtsnetzwerk „Klein.Stadt.Erwachen“, das leerstehende Gewerberäume revitalisiert und für Kunstprojekte nutzbar macht, sowie der „Klappstuhlkonferenz“, einem Format zur demokratischen Beteiligung, trägt der Verein aktiv zur Attraktivitätssteigerung in unseren ländlichen Regionen bei.

Der weitere Preisträger, der Verein Die Platte lebt e.V., hat im Schweriner Stadtteil Mueßer Holz ein ehemaliges Brachgelände in eine grüne Oase und einen Ort der Begegnung verwandelt. Der Plattenpark ist nicht nur ein Vorzeigeprojekt für partizipative Stadtentwicklung, sondern schafft durch gemeinschaftliches Engagement einen lebendigen und integrativen Raum für die Menschen im Viertel. Der Verein setzt sich damit aktiv für ein lebenswertes Umfeld und die soziale Teilhabe aller Bewohner*innen ein.

Teilhabe war auch ein wichtiges Thema im Rahmen der Impulsvorträge, Barcamps und Workshops, die am Nachmittag in der Kulturmühle stattfanden. So berichtete u. a. Selina Wippler vom Institut für neue Medien von ihren Erfahrungen im Bereich der Kinder- und Jugendbildung. Im Rahmen eines moderierten Gesprächs tauschten sich außerdem Akteure aus Tanz und Theater über „Wege ins Theater“ und verschiedene Ansätze und Ideen zur Öffnung von Theatern und Tanzbühnen für alle gesellschaftlichen Gruppen aus.

Ein vielfältiges Rahmenprogramm machte die Vielfalt von Kunst und Kultur deutlich, etwa bei einer Tanzperformance vom Labor für darstellende Kunst und Digitalität aus Neustrelitz auf der großen Bühne der Stadthalle, einer Gesangseinlage des Kinderchors der Parchimer Goethe-Grundschule oder dem Walking-Act „Elfriede Schlackenstein“, gespielt von Sven Lange  vom Dramaukles Theater. Im Treppenhaus der Kulturmühle wurde außerdem die Plakatausstellung „Protestyfield“ zum Thema “Demokratie, Toleranz und Offenheit” gezeigt. Diese wurden im Rahmen der Aktion „Demokratie abfeiern“ von Illustrator*innen aus dem Netzwerk „Poppy Field“ entworfen und sollen das Bewusstsein für eine offene Gesellschaft und mehr Demokratie stärken.

Text & Fotos: Manuela Heberer