INSIGHT : OUTSIDE. PAMPINALE 5 im kulturforum PAMPIN (2021)

Kunst in Zeiten der Irritationen und Inszenierungen

Das kulturforum PAMPIN bietet auch in diesem Jahr ein vielfältiges Angebot hochwertiger zeitgenössischer Kunst: die temporären Ausstellungen in der Kunsthalle, Blackbox und Galerie sowie die permanente Ausstellung mit spannenden Neuzugängen im Skulpturenpark.

Am 9. Mai eröffnet kulturforum PAMPIN – so Corona es erlaubt – die Kunstsaison 2021 mit dem ersten Ausstellungszyklus der PAMPINALE 5. Die 2017 anlässlich des fünfzehnjährigen Jubiläums des gemeinnützigen kulturforums PAMPIN ins Leben gerufene umfassende Kunstschau verfolgt zwei übergeordnete Ziele:  Zum einen sollen unterschiedliche Positionen zeitgenössischer Kunst sichtbar gemacht werden; zum andern soll auf gesellschaftliche Zeitströmungen und Entwicklungen eingegangen werden. 2021 wird dieses Anliegen mit dem für alle Zyklen und Einzelausstellungen als richtungweisend geltenden Motto „INSIGHT / OUTSIDE – Kunst in Zeiten der Irritationen und Inszenierungen“ ausgedrückt. Was verbinden wir mit diesem Leitthema?

Unsere Gesellschaft ist in den letzten Jahrzehnten durch vielerlei Einflüsse, Veränderungen und Entwicklungen immer differenzierter und diverser, unübersichtlicher und widersprüchlicher, pluralistischer und polararisierter geworden.

Wir leben in Zeiten, die durch paradigmatische Verschiebungen – man denke nur an Globalisierung und Digitalisierung – und Unsicherheiten gekennzeichnet sind. Diesen äußeren, im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Raum stattfindenden Veränderungen kann sich der Einzelne nicht entziehen; er muss sich mit ihnen auseinandersetzen und sich positionieren. Die äußeren Einflüsse haben eine Wirkung nach Innen sowie umgekehrt. Sie beeinflussen Einstellungen und Einsichten, Ansichten und Haltungen. Die Konfrontation von INNEN und AUSSEN, von persönlichen Bedürfnissen und äußeren Konstellationen, Erwartungen und Reglementierungen ruft sehr unterschiedliche Reaktionen hervor, je nach Prägung, Temperament, Interessen des Einzelnen.

Die persönlichen Bedürfnisse, das Streben nach Individualität und Freiheit stehen oft im Widerspruch – insbesondere in Härtezeiten wie Corona – zu den kollektiven Ansprüchen und Erwartungen. Das stellt die Wirtschaft, die Politik, die Kultur, die Sozialgemeinschaft und die verschiedenen Sozialsysteme vor enorme Herausforderungen und Anpassungsdruck. Das gilt auch für jeden Einzelnen, der sich immer wieder neu orientieren und positionieren muss, die „inneren Gefühle“ mit den „äußeren Umbrüchen“ in Balance zu bringen, sie zu justieren versucht.

Und das gilt ebenso für die Kunst. Künstlerinnen und Künstler sind besonders sensible Seismographen, die veränderte Stimmungen, tendenzielle Entwicklungen und paradigmatische Verschiebungen nicht nur eher, sondern auch intensiver wahrnehmen, fundierter reflektieren und mit den ihnen verfügbaren visuellen, darstellenden oder akustischen Mitteln und Methoden auf den Punkt bringen können.

Die diesjährige PAMPINALE 5 „INSIGHT / OUTSIDE. Kunst in Zeiten der Irritationen und Inszenierungen“ vereint Künstlerinnen und Künstler, die sich mit den äußeren Herausforderungen auseinandersetzen, die Oberflächlichkeit des Alltäglichen durchdringen und tiefer schauen. Ihre je individuellen Interpretationen sind wie auch ihre Stil-, Ausdrucks- und Gestaltungsmittel sehr unterschiedlichen. In den aktuellen Ausstellungen in der Kunsthalle und der BlackBox dominiert narrative Kunst. In der Galerie wird Video- und Objektkunst präsentiert und im Skulpturenpark sind neue Installationen zu bestaunen.  

RALF-RAINER ODENWAD, der an der Hochschule für Bildende Kunst in Hamburg studiert hat, u. a. unter Joseph Beuys und Gotthard Graubner, ist mit seinen Bildern am „Nabel der Zeit“ – inhaltlich wie technisch und wird verschiedene Werkgruppen seiner Malerei in der großen Kulturhalle präsentieren. („Gören“, „Werktätige“, „Männer“). Seit 2010 begann der Künstler mit seiner Serie „GÖREN“, die bis heute nicht abgeschlossen ist. Er holt seine Motive aus den „Social Media“, der Bühne unerschöpflicher Selbstinszenierungen – vor allem junger Frauen. Mit kritischem Blick sondiert und selektiert er die Szenen, die etwas über die Sich-Darstellenden und die beabsichtigte Wirkung verraten. Odenwald schaut von außen nach innen und legt das Innere offen. Für die künstlerische Realisierung verwendet er einen aufwendigen hybriden Technik-Mix: Fotoausdrucke werden auf Leinwand collagiert und mit Acryl und Ölfarbe komplett überarbeitet. Dabei verfremdet er das Original und akzentuiert die Stimmungen, Gefühle, geheimen Wünsche und Bedürfnisse. So entstehen subtile, raffinierte zeitgeistige Zerr- und Spiegelbilder der EGO-Gesellschaft, zum Teil rätselhaft und nicht sofort zu entschlüsseln. Es sind „Bilder, die einen nicht mehr loslassen.“ Dr. Michael Fuhr, Direktor des Städtischen Museums Flensburg sagte das nicht nur, sondern kaufte drei Bilder für sein Museum, „wo sie sich seitdem übrigens bestens neben Werken von Gerhard Richter und Arnulf Rainer behaupten.“

Die Skulpturen von DIETER KOSWIG sind ein gelungener Kontrast zu den atmosphärisch dichten Bildern Odenwalds. Sie strahlen kraftvolle Ruhe aus, sind was sie sind. Seine vielgestaltige Formensprache ist an den Grundformen der Geometrie orientiert. DIETER KOSWIG, in Halle geboren, studierte Malerei und Metallbildhauerei an der Burg Giebichenstein, danach bis 1979 an der Hochschule für Bildende Künste/Hamburg bei Ulrich Rückriem. Er sieht sich als Jäger und Sammler und arbeitet mit den klassischen Materialien Stein, Holz und Stahl sowie mit Fundstücken. Er liebt und respektiert sein Material und vertritt die Meinung: ,,Vielen Menschen verstellt sich der Zugang zur Kunst, weil sie zu große Erwartungen haben, sich damit blockieren. Die Auseinandersetzung mit dem Material kann hilfreich sein, öffnen, Barrieren und Schablonen abbauen. Kunst ist kein konstanter Begriff, vielmehr definiert durch Wünsche und Probleme einer sich ändernden Gesellschaft.” (Koswig-Zitat)

In der BlackBox erzählt LUDWIG NIESERT mit seiner Malerei groteske Bildgeschichten und liefert ein zeitgeschichtliches Kaleidoskop mit zuweilen apokalyptischen und absurden Zügen. Die eindrücklichen Bilder im konfigurativen Stil – mit wimmelnden Menschengruppen in außergewöhnlichen Situationen – sind reflektierte Auseinandersetzungen mit den Turbulenzen und Merkwürdigkeiten unserer Zeit, sie sind gleichermaßen eine Innen- wie Außenschau.

UTE JAEHN-NIESERTs skurrile tierische und menschliche Keramikobjekte setzen in diesem Panoptikum der Absurditäten humorvolle Akzente. Ihre Köpfe sind geöffnet –

Pragmatisch betrachtet, offen für Blumen u. ä., psychologisch betrachtet, offen für Einflüsse von außen, die im Inneren verarbeitet werden müssen, oder offen für Projektionen des Betrachters.

In der Galerie stellen Tino Bittner, Udo Dettmann und Thomas Sander (DEZERNAT 5, Schwerin) mit ihrer Video- und Objektkunst unsere Wahrnehmungsgewohnheiten auf die Probe. Unter dem Motto „Mind the Gap“ (Achte die Lücke) entstehen analoge und digitale Werke, die sich mit den Spannungsfeldern von Wahrnehmung(en) und Bewegung(en) in Zeiten gesellschaftlicher Irritationen und Inszenierungen auseinandersetzen. Wie immer zeichnen sich ihre Arbeiten durch Originalität, Tiefgang und Hintersinn – oft mit einer Prise Humor – aus. Sie sind, wie gute Kunst überhaupt, nie eindeutig, lassen Fragen offen, bieten Interpretationsspielräume. So z.B. eine Video-Arbeit von Udo Dettmann: Zwei (identische) Männer bewegen sich in zwei voneinander getrennten Räumen entlang einer Wand in einem bestimmten Rhythmus hin und her, als würden sie nach Auswegen aus ihrer misslichen Situation (in einer Art Käfighaltung) suchen – verzweifelt, kopflos und ohne Aussicht auf Erfolg. Die absurde Situation wirft aktuelle Fragen auf: Leiden die Männer an einem Corona-Koller, an den verordneten Lockdowns, sehen sie sich in ihrer Rolle als Mann durch die ideologisch aufgeladenen Genderdiskussionen irritiert, oder leiden sie unter Trennungsschmerzen durch den Verlust eines geliebten Menschen? Wir wissen es nicht und das Video gibt auch keine Antworten, aber es setzt Impulse zum Nachdenken über virulente Probleme.

Abgesehen von diesen aktuellen Ausstellungen zu Fragen der Zeit ist der Skulpturenpark immer wieder einen Besuch wert. Mit seinen mehr als 100 Objekten von Künstler*innen aus dem In- und Ausland bietet er einen breiten Querschnitt der heutigen dreidimensionalen Kunst, mit unterschiedlichsten Materialien, Stilen, Formaten. Auch für diejenigen, die den Park kennen, gibt es viel Neues zu entdecken. Lassen Sie sich also überraschen. Und genießen Sie die Symbiose aus Kunst und Natur, die Inspiration für Auge, Geist und Seele. Wir freuen uns auf Ihren Besuch.

Abbildung oben – Ludwig Niesen: Maraton
Die Fotorechte liegen bei den jeweiligen Künstlern.

Text: Ortrun Venth-Vogt

kulturforum PAMPIN – Skulpturenpark, Kunsthalle, Galerie

Dorfring 15 – 19372 Pampin, E-Mail: info@pampinerhof.de

Tel. 038785 90 333 / 0171 1466 099 / 0160 498 5610

Öffnungszeiten ab 9. Mai 2021: Sa. 14- 18 Uhr, So. und feiertags 11 – 18 Uhr